Europa und die Digitalkonzerne: Ende einer nie dagewesenen Freundschaft

So richtige Freunde waren sie wohl nie, die amerikanischen Tech-Firmen und Europa. Hatten Kandidaten wie Facebook & Co aber bis dato keine echten Probleme über dem Teich, schlägt die Stimmung jetzt gravierend um. Nicht nur in Gedanken, sondern vor allem auch mit entsprechenden Maßnahmen. Europa will sich die fragwürdigen Steuerpraktiken, das ganz eigene Wettbewerbsverhalten, den mangelnden Datenschutz inklusive Datenlecks u. a. nicht mehr gefallen lassen. Höhepunkt dieses Streitzugs gegen US-Technologie-Firmen ist die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU, die am 25. Mai an den Start geht. Sie betrifft zwar alle Unternehmen gleichermaßen, aber insbesondere Onlinedienste wie Facebook werden ihre liebe Freude damit haben. Es steht viel auf dem Spiel: Bis zu 4 % des betrieblichen Jahresumsatzes kann die Strafe ausmachen, wenn die nunmehr sehr strengen Gesetze gebrochen werden.

Facebook gibt sich trotzdem ganz begeistert. Mark Zuckerberg tut gar so, als wäre er ein großer Fan der Datenschutzgrundverordnung und möchte sie global anwenden. Gleichzeitig setzt er aber Aktionen wie die Ausgliederung einiger Nutzergruppen aus dem irischen Europa-Standort von Facebook, um sich der DSGVO mal eben so zu entziehen. Ziemlich scheinheilig, oder? Zumal amerikanische Firmen alles versucht haben, das neue Gesetz zu Fall zu bringen. Ohne Erfolg. Und dann kam der Facebook-Datenskandal und Datenschutz rückte plötzlich so richtig ins Rampenlicht und auch die User begannen, nachzudenken. Aber was genau sind die Themen des Streits EU vs. US-Firmen? Schauen wir uns das mal genauer an:

Schluss mit EU-„Steueroasen“ für Digitalfirmen

Beim Geld hört es sich auf, auch bei der EU: Europa ist für Tech-Firmen seit jeher ein beliebtes Ziel, um internationale Headquarter und ähnliches aufzubauen. Hier zahlen die Unternehmen deutlich weniger Steuern als in den USA – so hat auch Facebook seine internationale Zentrale in Irland positioniert, ebenso LinkedIn. Genau das möchte die EU-Kommission abstellen, indem empfindlich höhere Steuern fällig werden sollen. Ziel ist, die Abgabenverpflichtung am Standort der Nutzer festzumachen.

Das ist aber wiederum leichter gesagt, als getan. Denn anders als bei einer „normalen“ Firma mit klaren Standorten bzw. Fabriken, haben Digitalunternehmen oft nur einen, meist steuerlich gut ausgesuchten, Sitz, obwohl sie auf der ganzen Welt arbeiten. Siehe wiederum Facebook. Du kannst dir vorstellen, dass die Iren im Hinblick auf ihre berühmten „Einwohner“ gegen die geplanten Steueränderungen sind: „Wir haben zwischen Europa und den USA derzeit ohnehin sehr schwierige Diskussionen über die Handelspolitik“, so der irische Finanzminister Paschal Donohoe gegenüber dem „Handelsblatt“. „Wir glauben, dass die EU jetzt keine Steuerprojekte angehen sollte, die unsere Beziehungen weiter belasten könnten und die Gespräche noch schwieriger machen.“ Im Gegensatz dazu sind Staaten wie Deutschland, Frankreich und auch Österreich für das neue Modell. Sind hier Streitigkeiten innerhalb der EU vorprogrammiert? Man wird sehen.

Negative Begleiterscheinungen

Soziale Netzwerke sind leider nicht nur bei uns „Normalos“ beliebt. Auch Terroristen, Verbrecher, Pädophile etc. nutzen diese für ihre Zwecke aus. Das möchte die EU klarerweise unterbinden, hat bisher aber nur Empfehlungen ausgesprochen. Jetzt wollen die Brüsseler allerdings echte Taten der Onlinedienste sehen und hierfür unter Umständen sogar entsprechende Gesetze ins Leben rufen. Im Falle von Themen wie Kindesmissbrauch oder Terror-Propaganda zeigen sich die Plattformen mittlerweile – gottseidank – schon engagierter. Die Kommission gibt an, dass 70 % von Hassbotschaften gelöscht werden, 80 % davon binnen 24 Stunden. Ein ebenfalls heißes Thema aus dem Schattenbereich von Facebook & Co sind Falschnachrichten: Hier gibt es von der EU ebenfalls bis dato „nur“ Empfehlungen, glaubwürdige Quellen sichtbarer zu machen. Aber es existieren schon Planungen für weitere Maßnahmen.

Im Kampf für unsere Daten

Was glaubst du, liegt der EU am meisten am Herzen, wenn es um Facebook & Co geht? Keine allzu schwere Frage: Das heißeste Eisen ist natürlich der Datenschutz, zumal ja sage und schreibe 87 Millionen User vom Facebook-Skandal betroffen sind. In der EU sind es nicht ganz so viele, aber immerhin immer noch 2,7 Millionen Nutzer. Die EU hatte allerdings bereits vor Bekanntwerden des Datenlecks bereits böse Vorahnungen, wie EU-Justizkommisarin Jourova sagt: „Wir haben vorhergesehen, dass es Fälle wie diesen geben könnte, und wollten gut vorbereitet sein.“ Nicht nur schöne Worte, sondern tatsächlich auch wahr: Bereits im Jahr 2012 fingen in Brüssel die Diskussionen rund um die heutige DSGVO an, die ja am 25. Mai in Kraft tritt. Im Hinblick auf den Facebook-Skandal überlegt die Justizkommissarin aber noch einen weiteren Schritt, der die Plattformen gar nicht freuen wird: nämlich die Regulierung der Algorithmen, quasi das Herz von Facebook & Co. Facebook hat sich übrigens wortreich und öffentlich per Zeitungsannonce bei seinen Usern für das Datenleck entschuldigt. Wer möchte schon mit einer Plattform zu tun haben bzw. ihr sein Vertrauen schenken, die nicht einmal ausreichenden Datenschutz garantieren kann …

Strenge Wettbewerbkommisarin

Facebook ist durch den Datenskandal in den Fokus der Öffentlichkeit gekommen. Die EU hat aber auch andere große Konzerne wie Google oder Apple am Kieker, besser gesagt die EU-Wettbewerbskommisarin Margrethe Vestager. Die eiserne Lady machte aber natürlich auch Facebook bereits in der Vergangenheit das Leben schwer: Behauptete Facebook bei Übernahme von WhatsApp, keine Daten verknüpfen zu können, passierte genau das zwei Jahre später ganz problemlos. Für Vestager Irreführung der Nutzer – für Facebook eine Strafe von 110 Millionen Euro.

Du fragst dich, ob Facebook eigentlich niemals aus seinen Fehlern lernen wird? Momentan gelobt der Konzern zumindest Besserung und schrieb auch gleich seine Datenschutzbedingungen um. Blöd nur, dass nicht nur Transparenz und Klarheit im Mittelpunkt der Änderungen standen, sondern auch gleich noch die umstrittene und in Europa bis dato nicht zugelassene Gesichtserkennung ganz plötzlich Einzug in die Bedingungen fanden. Und auch die Geschichte mit den 1,5 Milliarden nicht-europäischen Nutzer, deren Daten ab sofort nicht mehr in Irland gespeichert werden und damit auch nicht mehr ins EU-Gesetz fallen, spricht Bände.

Wir sind gespannt wie der Kampf ausgehen wird. Schafft die EU es tatsächlich mit der DSGVO und anderen Maßnahmen, Facebook und Konsorten in ihre Schranken zu weisen?

Quelle: APA, Standard Online


Erstellt am: 9. Mai 2018

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